Geschichte

1441 – Semlins Ersterwähnung: Ein Schuldenzettel

gerdlast575 Jahre Semlin: das wurde am 17.9.2016 mit einem großen Festessen des ganzen Dorfs in der Semliner Festscheune des Bauernstübchens gebührend gefeiert. Der Dorfdichter Gerhard Last trug eine selbstgereimte Hymne auf unser Dorf vor (siehe Foto) ; es gab Tanzdarbietungen und Reden – und dann wurde gefeiert bis ins Morgengrauen. 575 Jahre Semlin lohnen den Blick zurück auf die Anfänge des Dorfs, die letztlich im Dunkeln liegen. Denn vor 575 Jahren wurde das Dorf ja nicht etwa gegründet, es existierte schon weitaus – als Slavendorf: vermutlich schon viele Jahrhunderte – länger. Doch 1441 waren die Semliner Lehnsherren von der Hagen mal wieder hoffnungslos pleite, und der Kurfürst Friedrich II, genannt Eisenzahn, ließ sich zur Sicherung seiner Ansprüche ein gutes Dutzend Dörfer übertragen, darunter auch Semlin. Für viele der Dörfer ringsum – auch Wassersuppe und Witzke am anderen Seeufer – ist dieser „Schuldenzettel“ die in diesem Jahr 2016 gefeierte Ersterwähnung.

30.10.1944 – Ein Semliner stirbt unterm Fallbeil

Gelitten unter den Jahren: Die Paperbacks aus dem Zeitschriftenverlag und ihre 30er-Jahre-Typografie.Der Bücherstapel ist beträchtlich, und fast haben Heike Brett und Martin Keune alle Bücher zusammen, die Axel Rudolph geschrieben hat. Der Mann war hochproduktiv und erfolgreich: unglaubliche 70 Romane veröffentlichte der Kriminal- und Abenteuerschriftsteller zwischen 1933 und 1943; vier bis fünf meist 250 Seiten dicke Bücher pro Jahr. Dazu kamen Drehbücher und Buchvorlagen für die expandierende Filmindustrie, die zum Teil mit namhaften Schauspielern wie Jean Gabin, Liane Haid oder Brigitte Helm verfilmt wurden.

Die Villa, die Rudolph ca. 1936/37 mit seiner künftigen Frau Gertrud in Semlin mietete, steht noch heute: Die „Pension am See“ in Semlin-Ausbau war schon damals ein malerisches Haus am Seeufer. Und die Rudolphs waren gerne Gastgeber für die Berliner Freunde aus Film- und Literaturkreisen. Nebenan wohnte Fritz Odemar, der Graf Stroganoff aus „Kleider machen Leute“ (1940) und Vater des späteren TV-Kommissars Erik Ode. Man fühlte sich wohl im Dorf am See und konnte auch fern des Berliner Trubels in Frieden arbeiten.

Kompakte Lebenserinnerung - und ein dicker Roman über die Geschichte der ganzen Region: "Groschenroman" von Martin Keune

Kompakte Lebenserinnerung – und ein dicker Roman über die Geschichte der ganzen Region: „Groschenroman“ von Martin Keune

Nicht nur an der idyllischen Landschaft fand der literarische Tausendsassa Rudolph, der am 26.12.1893 in Köln-Nippes geboren wurde, Gefallen. Eine Liebschaft mit der Semlinerin Else Peek brachte ihn in Kreise, die dem schon 1933 wegen angeblicher Desertation für ein Vierteljahr in Berlin-Plötzensee Inhaftierten nur suspekt sein konnten. Denn Else war die Tochter eines lokalen Parteifunktionärs und wohl auch selbst politisch auf Seiten Hitlers. Für den redegewandten Axel Rudolph muss die Haltung seiner Geliebten ein ständiger Angriffspunkt gewesen sein, den er nicht nur verbal, sondern auch in Briefen ansprach.

Doch die heikle Gratwanderung zwischen der Berliner Boheme und den Semliner und Rathenower Nazigrößen ist eine gefährliche Sache. Als Axel Rudolph sich mit der Geliebten überwirft, ist sein Leben in Gefahr…

Einheimische wissen schon, wo die dramatische Geschichte des Abenteurers und zeitweiligen Obdachlosen Axel Rudolph endet: Unter dem Fallbeil der Nazis. Seit 13.8.2008 erinnert eine Gedenktafel vor dem Gemeindehaus an das Schicksal von Axel Rudolph.

Doch es gibt noch mehr zu erzählen aus den Dreissiger und Vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Semlin und Rathenow. Unter tatkräftiger Mithilfe von Heike Brett hat Martin Keune einen biografischen Roman daraus gemacht, der unter dem Titel „Groschenroman“ im Be.Bra Verlag erschienen ist.

Im Uhrzeigersinn: Gertrud Rudolph (links) tanzt hinter der Villa – Gertrud und Hund Jerry – Axel Rudolph und unbekannte Freunde – Gertrud beim Tischler Schulze

Im Uhrzeigersinn: Gertrud Rudolph (links) tanzt hinter der Villa – Gertrud und Hund Jerry – Axel Rudolph und unbekannte Freunde – Gertrud beim Tischler Schulze

27.07.2002 – Anna Ropien, Semlinerin: Denkmal eingeweiht

hexeAm 27.07.2002 war es endlich so weit: Anna Ropien aus Semlin, die 330 Jahre zuvor anno 1672 in Rathenow als Hexe verhört wurde, bekam ihr lange überfälliges Denkmal auf dem Semliner Fahnenplatz. Künstler Volker Roth aus Grütz (†)  (Foto: Mitte mit braunerJacke) realisierte die Sandstein-Skulptur, die im Vorfeld zwischen Ortsteilbürgermeister Mantau und der evangelischen Kirche kontrovers diskutiert worden war. Während die Kirche Wallfahrten von Satanisten heraufbeschworen hatte, würdigte Mantau in einer klugen, sensiblen Ansprache das Denkmal als klare Stellungnahme gegen Unwissenheit, Aberglauben und herrschaftliche Willkür. Das Semliner Hexendenkmal ist das erste in den neuen Bundesländern.